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Letzte Aktualisierung
am 11. 07.2023

dieterrel

...und so ging es nach dem Krieg weiter:

.zivilist1946_hnfAls Vater nach Hause kam, konnte er mit Freude feststellen, dass sein Haus den Krieg fast unversehrt überstanden hatte. Eine Bombe hatte nur das ausgebaute Dachgeschoß beschädigt und die Wohnräume in der ersten Etage trugen leichte Schäden davon. Das Nachbarhaus, mit der Nr. 68 dagegen, war nur noch ein Trümmerhaufen, die Straßenseite mit den ungeraden Nummern zu 80% total zerstört. Die Hakenburger Straße (zwischen Neckarstrasse und Neustädter Güterbahnhof) zu 95% dem Erdboden gleichgemacht. Wer jetzt versucht, die Hakenburgerstrasse auf einer Karte zu finden, wird es vergeblich tun, denn auf deren ehemaliger Trasse verläuft heute die Hochstrasse (B75) von der Neuenlander Strasse zur Steffaniebrücke.
Vaters Haus wurde während des Krieges noch ein zweites Mal von einer Brandbombe getroffen, die angeblich von meinem Opa mit bloßen Hände aus einer Dachluke geworfen wurde, bevor der zeitversetzte Zünder sich aktivieren konnte.
Ob diese Geschichte stimmt?? Ich weiß es nicht, also glaube ich sie auch erst einmal.

Leider kam Vaters Onkel, Hermann Alrich Eduward Schwenker, 1944 bei einem Luftangriff in Bremenhaven ums Leben. Der Onkel und der Cousin Weert Zell waren die einzigen Kriegsopfer in der Familie Schwenker.

kennkarte1


Am 9. Juli 1945 wurde Vater die neue Kennkarte, allerdings noch mit alten Reichssymbolen ausgestellt. Die Kennkarte hatte  die gleiche Funktion wie der heutige Personalausweis.

Vater bewarb sich zum Ende 1945 sofort bei der Feuerwehr Bremen und wurde dort zum 7.1.1946 als Feuerwehrmannanwärter vom Senat der Stadt Bremen eingestellt.

Im gleichen Zeitraum lernte Vater unsere Mutter in Bremen Huchting kennen, die bei der dortigen Bäckerei Brand arbeitete.

Im Juni  1947 wurde der Vater von Heinrich Schwenker der Behörde zwecks “Entnazifisierung” zwangsvorgeführt, um den seit
05.031946 gesetzlich verankerten Meldebogen zwecks Feststellung von aktiven Tätigkeiten während der Nazizeit auszufüllen. Es erfolgte prompt auf Grund der SA-Mitgliedschaft von 1933-37 eine Anklage durch die bremische Staatsanwaltschaft.

Im Januar 1948 heiratet Vater meine Mutter. Im Juni des gleichen Jahres wurde ich geboren. Mein Bruder folgte dann 2 Jahre später. Auf meine Schwester musste ich dann weitere 3 Jahre warten. Jetzt war unsere Familie komplett.

Am 17. März 1949 lautet das Urteil für den Vater von Heinrich Schwenker wegen seiner SA-Zeit “schuldig”. Er wurde durch das Gericht als BelasteterAktivist” eingestuft. Er verlor durch das Urteil jegliche Bürgerrechte, sein Vermögen, seine Altersrente, jegliche politische und berufliche Entfaltungsmöglichkeiten und durfte auch zukünftig keinen Kraftwagen halten.

Am 13. Juni 1949 wurde eine Berufungsverhandlung in einer schriftlichen Verhandlung mit Urteil abgewiesen.

Im Jahre 1950 oder 51 zogen meine Eltern in die Delmestraße 26. Hier hatten wir eine abgeschlossene Wohnung in der 1. Etage. Die Wohnung lag sehr zentral. Vater hatte es zum Dienst nicht weit, das Elternhaus war schnell zu erreichen und die Einkaufsmöglichkeiten waren optimal. Selbst der Kindergarten und die Schule waren nur wenigen Minuten von der neuen Wohnung entfernt.

Am 30. Juli 1952 wurde Carl Heinrich Diedrich  Schwenker Senior  in Bezug auf die Verurteilung im Naziprozeß von 1949 mit sofortiger Wirkung von der Freien und Hansestadt Bremen öffentlich begnadigt.

Im Jahre 1954 wurde ich in die Schule an der Langemarkstrasse eingeschult.

Das Jahr 1955 war ohne besondere Vorkommnisse. Man widmete sich seiner Aufgaben und versuchte die Mängel der Nachkriegsjahre zu bewältigen. Aber es ging wohl ständig aufwärts und vieles wurde immer besser.

In Jahr 1956 verstarb die Tochter Renate von Vaters Halbbruder Otto Erstling im 15. Lebensjahr an Kinderlähmung in Northeim.

Das Jahr 1957 sollte kein gutes Jahr für die Familie Schwenker werden.

1957 wurden Oma und Opa Schwenker krank und pflegebedürftig. Wir mussten zurück in die Neckarstrasse. Zu alledem, machte Opa Schwenker eine Entzündung im rechten Bein zu stark zu schaffen, die man einfach nicht in den Griff bekam. Er konnte sich nur noch mit Krücken fortbewegen und da er in der 1. Etage des Hauses wohnte, war er somit ans Haus gebunden.

Im Frühjahr bekamen wir unser erstes eigenes Auto. Einen VW Käfer, Baujahr 1947. Mit 23 PS und dem Brezelfenster hinten. Mit dem Fahrzeug wurden nicht nur wir mobiler, sondern auch Opa kam nun mehr und mehr von seinem Fensterplatz im Wohnzimmer in die “weite Welt” hinaus.

Zur Mitte des Jahres musste das rechte Bein von Opa ca. 15 cm unterhalb des Hüftgelenks amputiert werden. Von nun an war der 81 Jährige auch in der Wohnung gehunfähig.

12 Jahre nach dem Kriegsende stieg der Lebensstandard für uns stetig. Im Laufe des Jahres konnte der erste Kühlschrank, der erste Musikschrank und sogar der erste S/W-Fernseher angeschafft werden.

Jetzt nahmen auch wir am “ Wirtschaftswunder” teil.

Im November des Jahres verstarb unerwartet und plötzlich die Mutter von unserem Vater.

Mit dem Tode seiner langjährigen Lebenspartnerin verlor Opa mehr und mehr seinen Lebenswillen.

Nach einem weiteren Schlaganfall verstarb der Vater von Heinrich Schwenker Anfang April 1958 im 83. Lebensjahr.  Er wurde in unserem Familiengrab auf dem Wallerfriedhof, an der Seite seiner beiden Frauen, beigesetzt.

Die Planung der Hochstrasse (B75) zwischen der Neckarstrasse und dem Neustädter Güterbahnhof machte in Bremen die Runde. Die Anwohner befürchteten eine enorme Lärmbelästigung durch dieses Bauvorhaben und dem zu erwartenden Straßenverkehr. Meine Eltern entschlossen sich, einen Käufer für unser Haus zu suchen.

1961 verkauften meine Eltern das Haus in der Neckarstrasse und bezogen eine Neubauwohnung in der Gartenstadt Süd, in der Karl - Lerbs Straße.

Meine Geschwister und ich wuchsen dort auf, gingen dort zur Schule und wir machten dort unsere Berufsausbildung.

Nachdem wir alle “flügge” waren, verließ einer nach dem anderen das Elternhaus und feilte an seiner eigenen Existenz.

Im Jahre 1977 trennten sich unsere Eltern und gingen jeweils ihre eigenen Wege. Am 16. Mai 1983 wurde die Ehe geschieden.

Am 07.10.1983 verstarb Vaters Halbbruder, Otto Erstling, in Northeim. Leider hatten die Beiden wegen eines Erbschaftsstreites nach Opas Tod kaum noch Kontakt mehr miteinander.

1984 folgten Otto Erstling seine älteste Tochter und seine Frau Achnitz in die Unendlichkeit.
Die verstorbenen Familiemitglieder der Familie Erstling fanden ihre letzte Ruhestätte in Northeim.

Am 11. Februar 1985 verstarb unser Vater im 67. Lebensjahr in der Karl - Lerbs - Strasse. Sein Tod kam für alle völlig unerwartet und ohne jeglicher Vorzeichen.

Den letzten Gruß schickte uns Vater als wir seine Urne am Waller Friedhof beisetzten. In dem Augenblick, an dem wir die letzte Erde über seine Urne verbrachten und das Grab schlossen, fuhr ein kompletter Feuerwehrzug unter voller Sirene durch die Waller Heerstrasse, direkt am Friedhof vorbei. Eine passendere Verabschiedung konnte es für uns nicht geben. Ich habe mich später oft gefragt, ob es wirklich nur ein Zufall war.

 

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